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JVA Münster einsturzgefährdet: Und dann muss alles hopplahopp gehen!

Bislang war seitens des Bau- und Liegenschaftsbetriebes NRW (BLB) und auch der Justiz Beschwichtigung an der Tagesordnung, obwohl seit Jahren bekannt ist, das die JVA Münster, eine der ältesten Vollzugseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen, dringend ersetzt werden muss. Die Bausubstanz ist auch nach Einschätzung von Experten verbraucht, die Gebäude sind damit abgängig.

Und man muss zugestehen, das Gefängnis hat nach mehr als 160 Jahren seine Schuldigkeit getan. Rund um die Uhr genutzt, hat sich das Gebäudeensemble besser geschlagen als vergleichbare Bauten aus jüngerer Zeit, bei denen bereits nach wenigen Jahrzehnten Grundsanierungen anstehen.

In Münster aber hat man den Bogen offensichtlich überspannt. Dabei wollte man es lange Zeit nicht wahrhaben. Noch im April 2016 hatte BSBD-Chef Peter Brock gegenüber dem WDR zur Eile gemahnt, weil die JVA Münster in Teilen einsturzgefährdet sei. Dieser Einschätzung trat die Leitung der Münsteraner Einrichtung vermutlich weisungsgemäß entgegen, indem sie behauptete, es sei „schlichtweg falsch“; eine Einsturzgefahr bestehe nicht. Die angebrachten Sensoren seien vorsorglich installiert worden. Sie dienten lediglich dazu, mögliche Bewegungen und Veränderungen vorhandener Haarrisse zu dokumentieren.

BLB zieht sich aus der Verantwortung

Da erhebt sich aber doch schon die Frage, gab es wirklich keine Bedenken, die Statik könne spontan kollabieren? Jedenfalls ist dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb die Angelegenheit in den letzten drei Monaten offensichtlich zu heiß geworden. Ein neues Gutachten wurde in Auftrag gegeben, das unmissverständlich zu dem Ergebnis gelangt, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein spontanes Versagen der Statik spreche. Der Mietvertrag für das Gefängnis wurde daraufhin am 06. Juli 2016 fristlos gekündigt und die Evakuierung innerhalb von 48 Stunden empfohlen.

Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich. Jedenfalls hat sich die Geschäftsführung des BLB mal schnell einen „schlanken Fuß“ gemacht und sich mit dem neuen Gutachten und der anschließenden fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses aus der Verantwortung genommen. Das Justizministerium sah sich in der Folge zum Handeln gezwungen und veranlasste die Evakuierung der Münsteraner Einrichtung. Daraufhin pendelten zeitweise bis zu zwanzig Gefangenentransportomnibusse, um die 515 Gefangenen aus Münster über das gesamte Land zu verteilen.

Evakuierung großartig gemeistert

Die Evakuierung der JVA Münster ist von den beteiligten Kolleginnen und Kollegen in großartiger Weise organisatorisch gemeistert worden. Dafür gebührt ihnen ganz besonderer Dank. Sie haben unter Beweis gestellt, dass der Vollzug auch in Ausnahmesituationen Außergewöhnliches zu leisten vermag. Es bleibt zu hoffen, dass Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) dies genauso sieht und seinen Dank auch persönlich übermitteln wird.

Aber war eine solche Entwicklung unvermeidlich? Wenn man sich auf falsche Ratgeber verlässt und auch noch den letzten Euro zur Sanierung des Landeshaushalts aus dem System Strafvollzug herausquetschen will, dann könnte man dies vermuten. Strafvollzug sollte allerdings auf Unwägbarkeiten vorbereitet sein und über großzügige Kapazitäten verfügen.

Der BSBD hat die zum Jahresende 2015 vorgenommene Haftplatzreduzierung durch Schließung der Einrichtungen in Coesfeld, Krefeld und Mönchengladbach immer wieder beanstandet. Das Ministerium hat daraufhin immerhin die Wiederherstellung eines belegungsfähigen Zustandes dieser Einrichtungen veranlasst. Hiervon kann es jetzt profitieren, weil fast die Hälfte der Gefangenen aus Münster in den drei genannten Einrichtungen unterkommen kann.

Es erhebt sich jedoch die Frage: Musste es jetzt so überstürzt gehen? Für außerordentliche Sicherheitsstörungen, hier ist vorrangig an Brände und Anschläge zu denken, verfügt die Sicherheitsarchitektur der Vollzugseinrichtungen selbstverständlich über Notfallpläne, die sehr schnell realisiert werden können, und die natürlich auch Evakuierungen vorsehen. Die Pläne sind allerdings für den absoluten Ausnahmefall, der weder vorhersehbar noch planbar ist, erstellt worden. Haben wir es hier mit einem solchen Ausnahmefall zu tun? Nein, natürlich nicht.

Kolleginnen und Kollegen dürfen nicht die Leidtragenden sein

Und damit kommen wir zum springenden Punkt der Angelegenheit und das sind die Kolleginnen und Kollegen. Evakuierungen und längerfristige Veränderungen der Organisation greifen zwingend in die Rechte und Interessen der Beschäftigten ein. Arbeitsplätze sind von einem Tag auf den anderen verschwunden, Abordnungen, Versetzungen stehen an. Neue Dienstvorgesetzte, neuer Dienstort, längere Fahrt zum neuen Arbeitsplatz verlangen kurzfristig nach Anpassung an veränderte Verhältnisse. Und was das Schlimmste ist: Auf die sozialen Belange der Kolleginnen und Kollegen kann wegen des bestehenden Zeitdrucks nicht in der notwendigen Weise eingegangen und Rücksicht genommen werden.

Dies alles hätte nach Einschätzung des BSBD vermieden werden können. Alles, was von Menschenhand geschaffen wird, ist dem Verfall preisgegeben. Im Bereich des Bauens verfügen wir aber über so viel Erfahrung, dass wir die unbedenkliche Nutzungsdauer eines Gebäudes einigermaßen sicher einschätzen können. Bei der JVA Münster scheinen für Einschätzungen und Bewertung der Gebäudesubstanz allerdings sachwidrige Gründe maßgebend und ursächlich gewesen zu sein. Sofortiges Handeln sollte zu Beginn des Jahres wohl vermieden werden, um die Schließung der Einrichtungen in Coesfeld, Krefeld und Mönchengladbach nicht zu gefährden.

Die Räumung der JVA Münster hätte vorbereitet sein müssen

Dass neben dieser bedenklichen Entscheidung auch noch darauf verzichtet wurde, eine mögliche Räumung der JVA Münster unter Beachtung der sozialen Belange der Kolleginnen und Kollegen organisatorisch vorzubereiten, ist ein klassisches Organisationsversagen der Administration. Nach Auffassung des BSBD waren die Probleme mit der Statik bei der JVA Münster lange bekannt. Man hat sich, um dem notwendigen Handeln aus dem Weg zu gehen, für den fatalistischen Weg entschieden: Es ist noch immer gut gegangen! Dabei hätte der bauliche Zustand der Einrichtung hinlänglich Anlass sein müssen, für eine eventuell kurzfristig notwendig werdende Räumung Vorsorge zu treffen.

Der BSBD wird jetzt nachdrücklich dafür eintreten, damit die Kolleginnen und Kollegen letztlich nicht die „Dummen“ und Leidtragenden dieser Entwicklung sind. Die sozialen Belange der Betroffenen müssen die notwendige Beachtung finden. Über die Mitbestimmungsgremien wird der BSBD dafür eintreten, dass nicht die Kolleginnen und Kollegen für das Organisationsversagen der Administration den Kopf hinhalten müssen. Und vom Justizministerium erwarten wir, dass bei künftigen Entscheidungen nicht immer von den günstigsten Planungsumständen ausgegangen wird. Denn im Strafvollzug gilt Murphys Gesetz: Alles, was schiefgehen kann, das wird auch schiefgehen!

Friedhelm Sanker

Foto: STBR/wikimedia.org /