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Macht die Justiz endlich Ernst mit dem Schutz ihrer Bediensteten?

Im Sommer 2015 hat ein 29-jähriger Strafgefangener, der eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten wegen schweren Raubes verbüßt, in der JVA Bochum wiederholt zwei Kolleginnen mit sexistisch-prolligen Schimpfwörtern attackiert und außerdem versucht, eine weitere Kollegin mittels eines Kopfstoßes zu verletzen. Wegen dieser Taten hatte er sich jetzt vor Gericht zu verantworten. Das Urteil: Weitere neun Monate Freiheitsstrafe.

Vorkommnisse dieser Art ereignen sich immer häufiger in den nordrhein-westfälischen Vollzugseinrichtungen und Kolleginnen sind in besonderer Weise betroffen. Der Bochumer Fall macht zudem deutlich, in welchem Umfang Respektlosigkeiten, Missachtung und auch gewaltsame Übergriffe den Alltag in den Vollzugseinrichtungen bestimmen. Nach Einschätzung des BSBD haben die Verantwortlichen das Phänomen lange Zeit verharmlost und ihren Bediensteten oftmals geraten, nicht allzu pingelig zu sein, sondern sich „ein dickes Fell“ zuzulegen. Diese Strategie sehen wir gerade krachend scheitern.

Disziplinlosigkeit wird als Waffe zur Durchsetzung von Interessen eingesetzt

In dem Bochumer Verfahren hatte der Staatsanwalt das Verhalten des Angeklagten mit den Worten „Wie eine offene Hose!“ umschrieben. Zu allem Überfluss bezichtigte der Angeklagte auch noch eine Kollegin, ein intimes Verhältnis mit einem Gefangenen eingegangen zu sein. In einem Schreiben an den Vollzugsbeauftragten des Landes NRW hatte er behauptet, eine Kollegin beabsichtige, aus Liebe und Naivität einem Mitgefangenen zur Flucht zu verhelfen. Ziel des Angeklagten war es offenbar, disziplinarische Ermittlungen gegen die Kollegin auszulösen.

Während der Hauptverhandlung zeigte sich der Angeklagte reuig: „Es tut mir mega-leid, ich schäme mich, weil ich so viel Mist mit Euch gemacht habe.“ Ursächlich für sein damaliges Verhalten sei gewesen, dass er Amphetamine, Marihuana und Kokain konsumiert habe und völlig von Sinnen gewesen sei. Wegen der Schwere der Verfehlungen sah das Gericht die Verhängung einer Freiheitsstrafe als zwingend geboten an. Einziger Makel: Die Strafe folgte der Verfehlung nicht auf dem Fuße, sondern ließ ein Jahr auf sich warten.

Ohne Respekt der Gefangenen vor den Bediensteten verkommt ein behandlungsorientierter Vollzug zur Farce

Mit diesem Bochumer Fall, der immerhin eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe zur Folge hatte, wird jetzt eine Richtung eingeschlagen, auf die die Bediensteten des Vollzuges bereits lange warten. Endlich wird Tätern durch eine Entscheidung, der durchaus generalpräventive Wirkung beigemessen werden darf, verdeutlicht, dass die Repräsentanten des Staates kein „Freiwild“ sind, sondern den Machtanspruch des Staates verkörpern, deren Weisungen ohne Wenn und Aber nachzukommen ist.

In einer ersten Bewertung des Urteils zeigte sich BSBD-Chef Peter Brock erfreut über die Entscheidung. „Verbale und auch körperliche Übergriffe von Gefangenen auf Kolleginnen und Kollegen nehmen zu. Besonders junge Männer aus den Maghreb-Staaten scheinen ein erhebliches Autoritätsproblem mit Frauen als Amtspersonen zu haben. Nachdem diese Personengruppe seit Beginn des Jahres in den Vollzugseinrichtungen vermehrt anzutreffen ist, ist auch ein Anstieg der Disziplinlosigkeiten festzustellen“, stellte der Gewerkschafter fest.

Jetzt sei eine effektive Strategie erforderlich, um unsere Kolleginnen einerseits zu schützen und sie andererseits in die Lage zu versetzen, auch mit dieser Klientel auf einer sachlichen Basis arbeiten zu können. Peter Brock wörtlich: „Nach fester Überzeugung des BSBD muss das Strafrecht eine wesentliche Funktion im Katalog der möglichen Sanktionen übernehmen. Die bislang vielfach verfolgte Strategie ‚Ein Gefangener kann Strafvollzugsbedienstete gar nicht beleidigen‘ führt offensichtlich nicht zum Ziel. Jetzt sind die Dienstvorgesetzten und das Ministerium gefordert, eine wirksame Strategie zu entwickeln, die von Kolleginnen und Kollegen keinen täglichen ‚Spießrutenlauf‘ erwartet, sondern eine solide Basis für eine effektive Vollzugsarbeit schafft!“

Friedhelm Sanker