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Erbschaftsteuerreform: Ein Armutszeugnis für die politische Klasse

Es ist bekannt, dass speziell in Deutschland die Schere zwischen Arm und Reich besonders weit auseinanderklafft. Bereits im Jahre 2014 hatte deshalb das Bundesverfassungsgericht angemahnt, die steuerliche Privilegierung von großen Betriebsvermögen zu verändern, weil sie gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Die Bundesregierung hat die ihr vom Verfassungsgericht eingeräumte Frist von fünfzehn Monaten fast untätig verstreichen lassen, ohne eine vernünftige Lösung zu finden. In der Nacht zum gestrigen Donnerstag nun präsentierten Mitglieder des angerufenen Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat dem erstaunten Publikum eine Lösungsalternative.

Die Zeiten der Adenauers und Erhards, für die Wohlstand für alle noch ein politisches Ziel war, scheinen endgültig vorbei zu sein. Ansonsten hätte man beim Erbschaftsrecht sicher nach Lösungen für eine gerechte Lastenverteilung gesucht. Doch „Fehlanzeige“:  Bei der Erbschaftssteuer bleibt faktisch alles beim Alten. Betriebserben bleiben bis zu einem Volumen von 26 Millionen Euro unbehelligt, wenn der Betrieb sieben Jahre lang fortgeführt wird. Erst danach setzt eine moderate Besteuerung ein, die zudem viele Schlupflöcher bietet.

Es stellt sich die Frage nach der Gerechtigkeit

Es ist stark zu bezweifeln, ob die jetzt durch CDU/CSU, SPD; Grünen und Linken gefundene Regelung verfassungsfest ist und ob sich die Regierenden ausreichend um einen gerechten Lastenausgleich bemüht haben. Nur allzu gern sind sie vor der Lobby der Familienunternehmen und der Industrie in die Knie gegangen, um – so das hehre Argument – keine Arbeitsplätze zu gefährden. Dabei ist bislang kein einziger Fall bekannt, in dem ein Unternehmen wegen der Erbschaftssteuer in die Pleite gestürzt worden ist.

Auf der anderen Seite ist das Risiko der Altersarmut für Rentner, bei denen das Rentenniveau von 53 auf 48 Prozent abgesenkt worden ist, um die Wirtschaft zu Beginn des neuen Jahrtausends wieder flott zu machen, sehr real. Nach diesem sozialen Kahlschlag stiegen die Unternehmensgewinne wieder sprunghaft an. Angesichts dieser Armutsrisiken und wegen des Finanzierungsaufwandes für die Flüchtlingskrise wäre es geboten gewesen, reiche Betriebserben angemessen an den Kosten der Gesellschaft zu beteiligen.

Konsum wird hoch besteuert – reiche Erben werden geschont

Das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer beträgt derzeit zwischen 4 und 5 Milliarden Euro jährlich. Dies ist eine zu vernachlässigende Größenordnung. In Deutschland werden im Jahresdurchschnitt zwischen 300 und 400 Milliarden Euro von einer Generation auf die nächste übertragen. Um das Risiko eines Arbeitsplatzverlustes zu vermeiden hätte sich eine geringe Pauschalbesteuerung von 15 Prozent bei großzügigen Freigrenzen angeboten. Auf diese Weise hätte auch „Omas Häuschen“ steuerfrei übertragen werden können. Allein durch eine solche Regelung ließe sich das Erbschaftssteueraufkommen bis auf über 40 Milliarden Euro pro Jahr anheben. Die Integration von Flüchtlingen könnte hiermit unschwer finanziert werden. Die gute Haushaltslage ließe es zudem zu, die unsoziale Rentenabsenkung der Agenda 2010 rückgängig zu machen.

Hierfür war die Politik augenscheinlich nicht zu erwärmen. Die Reichen im Land, denen es auch bislang gut gelungen ist, Steuern möglichst zu vermeiden, behalten ihre Privilegien, die diesen Namen auch tatsächlich verdienen.

Sozialer Aufstieg durch Arbeit ist fast unmöglich

Neuere Studien weisen nach, dass in Deutschland sozialer Aufstieg, Reichtum und Vermögensbildung fast nur noch durch Vererbung entsteht. Deshalb ist die jetzt verabredete Reform der Erbschaftssteuer ein fatales Signal an die Bürgerinnen und Bürger im Land. Die Politik macht einmal mehr deutlich, dass die gerechte Verteilung des finanziellen Erfolgs der Gesellschaft und die Gemeinwohlorientierung des Eigentums keine bestimmenden Faktoren für das gegenwärtige Regierungshandeln sind.

Es lässt sich unschwer prognostizieren, dass die Politik bei den Wählerinnen und Wählern das Protestpotential mit der Reform der Erbschaftsteuer deutlich erhöhen wird, weil sie abermals nicht einmal den Versuch unternimmt, die Schere von Arm und Reich etwas zu schließen.

Öffentlicher Dienst erwartet faire Behandlung

Für abhängig Beschäftigte und den öffentlichen Dienst sendet die Politik das fatale Signal aus: Wir holen uns das Geld lieber bei euch, dort haben wir weniger Widerstand zu erwarten! Deshalb müssen gerade die Gewerkschaften auf der Hut sein, dass sie bei der Definition der Leistungsgerechtigkeit nicht über den Tisch gezogen werden. Die Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Bundesländer Anfang 2017 wird zur Nagelprobe dafür werden, ob Verteilungsgerechtigkeit in dieser Gesellschaft noch einen politischen Wert besitzt. Sollte die Politik hier versagen, mag man sich gar nicht ausmalen, welche Konsequenzen dies für die Landtagswahl in NRW und für die Bundestagswahl im kommenden Jahr haben dürfte.

Eines zeichnet sich allerdings ab, bevor das Gesetz überhaupt verabschiedet ist: Es wird aller Voraussicht nach wieder vor dem Bundesverfassungsgericht landen. Auf dessen Spruch darf man gespannt sein, denn nach Auffassung vieler Rechtsexperten ist auch die jetzt verabredete Reform verfassungsrechtlich im höchsten Maße bedenklich. Aber dies lässt die Politik offensichtlich kalt.

Friedhelm Sanker



Foto im Beitrag © magele-picture / Fotolia.de