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BSBD-Hauptvorstand: Der Strafvollzug sieht sich mit enormen Herausforderungen konfrontiert

Am 05. und 06. April 2017 trat der BSBD-Hauptvorstand zu seiner Frühjahrssitzung zusammen, um mögliche Konsequenzen aus der bevorstehenden Neuwahl des nordrhein-westfälischen Landtags und aus der zunehmenden Gewaltbereitschaft der Inhaftierten zu ziehen sowie die Aufgabe der Deradikalisierung von ideologisch-religiösen Eiferern und weitere aktuelle Themen der Gewerkschaftsarbeit zu diskutieren.

Landesvorsitzender Peter Brock zeigte sich über die fast vollständige Anwesenheit aller Mandatsträger und Delegierten aus den Ortsverbänden sehr erfreut. Den Mitgliedern des Gremiums wurde ausgiebig Gelegenheit eingeräumt, die spezifischen Anliegen und Themenschwerpunkte der gewerkschaftlichen Fachbereiche darzustellen, um die Zielrichtung der gemeinsamen Arbeit abzustimmen. BSBD-Chef Peter Brock machte klar, dass der BSBD-Hauptvorstand als Bindeglied zwischen Ortsebene und Landesleitung und als das höchste Entscheidungsgremium zwischen den Gewerkschaftstagen unverzichtbare Basisorientierung und Feinjustierung für die Gewerkschaftsarbeit sicherzustellen habe.

Ein ganz bedeutsames Problem, mit dem der Vollzug derzeit konfrontiert ist, stellt die angespannte Belegungssituation dar. An der misslichen Lage, dass viele Haftplätze wegen baulicher Mängel nicht belegt werden können, hat sich innerhalb des letzten halben Jahres nichts Grundlegendes geändert. Im Gegenteil: Fast alle in den 1970er Jahren errichteten Einrichtungen erweisen sich als substanziell marode oder aufgrund der Verwendung zumindest gesundheitsbedenklicher Baumaterialien als dringend sanierungsbedürftig.

Vollzug benötigt dringend zusätzliche Haftplatzkapazitäten

Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW ist zwar permanent mit dem Justizministerium im Gespräch, um möglichst schnell über die in der Sanierungsphase befindlichen Kapazitäten verfügen zu können, doch ziehen sich die „Vorarbeiten zu einer grundsätzlichen Problemlösung“ zeitlich doch sehr in die Länge. Derzeit kann der gesamte Vollzug nur noch über rd. 130 freie Haftplätze verfügen. Die Lage wäre noch dramatischer, würde der gesetzliche Grundsatz der Einzelunterbringung konsequent umgesetzt.

Die Delegierten sprachen sich einmütig dafür aus, die Landesleitung solle die politische Neuorientierung nach der Landtagswahl intensiv dazu nutzen, bei den Verantwortlichen der neuen Landesregierung eine höhere „Schlagzahl“ der Problembewältigung anzumahnen und einzufordern. Angesichts der sich abzeichnenden räumlichen Enge und der sich unter negativen Vorzeichen weiter verändernden Gefangenenklientel drohten sich die nordrhein-westfälischen Vollzugseinrichtungen zu kaum mehr beherrschbaren Pulverfässern zu entwickeln.

Gefangene mit Migrationshintergrund bereiten sprachliche Probleme und sind oft verhaltensauffällig

Voller Sorge blickten die Delegierten auf die Herausforderung des sachgerechten Umgangs mit politisch und religiös radikalisierten Straftätern. Die Auswirkungen der Flüchtlingskrise und der starken sonstigen Zuwanderung seien jetzt auch im Strafvollzug spürbar. Die Kriminalstatistik belegt zwischenzeitlich einen starken Anstieg solcher Straftaten, die durch Ausländer oder hier lebende Menschen mit Migrationshintergrund begangen werden. Diese Entwicklung und speziell das hohe Niveau der Wohnungseinbrüche führen dazu, dass das subjektive Sicherheitsempfinden der Menschen in Nordrhein-Westfalen nachhaltig Schaden nimmt.

Die Politik scheint diese Herausforderung aufgreifen zu wollen. In einem ersten Schritt hat Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) die Voraussetzungen geschaffen, in Essen ein Kompetenzzentrum einzurichten, das sich mit der Erforschung der Ursachen von religiös oder politisch motivierter Kriminalität befassen soll. Das Expertenteam soll im Endausbau aus zwölf Juristen, Soziologen, Islam- und Religionswissenschaftlern bestehen. Zwei zwischenzeitlich eingestellte Islamwissenschaftler haben ihren Dienst in der JVA Remscheid aufgenommen. Sie arbeiten derzeit an einem Präventionsprogramm für radikalisierungsgefährdete Gefangene. Daneben sind sie damit betraut, die Kolleginnen und Kollegen im Umgang mit muslimischen Gefangenen zu schulen und zu beraten.

Sachgerechte Personalausstattung ist überfällig

Nach den vielen negativen Ereignissen der letzten Jahre hat sich beachtlicher Handlungsbedarf im Bereich der inneren Sicherheit aufgetan. Es zeigt sich, dass hier am falschen Ende gespart worden ist. Jetzt hat die Landesregierung Personalverstärkungen auch für den Vollzug angekündigt. Es bleibt zu hoffen, dass nicht nur die Wählerinnen und Wähler durch solcherlei Ankündigungen vor dem Urnengang am 14. Mai 2017 beruhigt werden sollen, sondern die Landesregierung nunmehr gewillt ist, den Bereich der inneren Sicherheit aufgabengerecht personell auszustatten.

Die Personallücke im Bereich des Strafvollzuges beträgt nach Berechnungen des BSBD rd. 1.000 Stellen. Diese Lücke muss durch eine außerordentliche Kraftanstrengung und die befristete Erhöhung der Ausbildungskapazitäten geschlossen werden, damit die Kolleginnen und Kollegen in den Anstalten nicht permanent über die Grenze des Zumutbaren hinaus belastet werden.

Nur gelingende Rehabilitation von Straftätern führt letztlich zu einer spürbaren Verbesserung der inneren Sicherheit. Hierfür ist allerdings Voraussetzung, dass qualifiziertes Personal im erforderlichen Umfang zur Verfügung steht. Die Delegierten fassten deshalb den Beschluss, die neue Landesregierung nachdrücklich zu drängen, die bestehende Personallücke zeitnah zu schließen. Dies sei schon deshalb so wichtig, weil die Kolleginnen und Kollegen wegen des immer noch hohen Überstundenberges über Gebühr belastet seien. Gemeinsam mit Bayern weise NRW den geringsten Personaleinsatz im Strafvollzug auf. Hier müsse dringend nachgebessert werden.

Der Umgang mit Schusswaffen muss wieder vernünftig geschult werden

Seitdem das Justizministerium im Jahr 2012 die grundsätzliche Schulung der Strafvollzugsbediensteten im Umgang mit Schusswaffen zur Disposition gestellt hat, um Kostenreduzierungen zu realisieren, ist die Ausbildung in Qualität und Umfang mehr und mehr verkommen. Zwar sind die Bediensteten immer noch verpflichtet, die erforderlichen Übungsschießen zu absolvieren, um Schusswaffen führen zu dürfen, doch fallen immer mehr Übungsschießen aus, wenn sich organisatorische oder personelle Schwierigkeiten ergeben.

Daneben soll es Leitungen von Vollzugseinrichtungen geben, die das Führen von Schusswaffen lieber heute als morgen abschaffen würden und die in dem schleichenden Niedergang der Schießausbildung ein probates Mittel sehen, dieses Ziel mittelfristig zu erreichen. Zwischenzeitlich hat die mangelhafte Schulung im Schusswaffengebrauch bereits Auswirkungen auf die Dienstplanung, weil in Einzelfällen Einteilungen zu Diensten, die zwangsläufig mit dem Führen von Schusswaffen verbunden sind, nicht mehr erfolgen können. Die Flexibilität der dienstlichen Verwendung wird dadurch nachhaltig eingeschränkt. Wenn Sicherheit tatsächlich einen so hohen Stellenwert hat, wie es das Ministerium stets öffentlichkeitswirksam behauptet, dann ist der gegenwärtige Zustand nach Einschätzung der Gewerkschafter eine kontraproduktive Zumutung und verlangt nach einem „ministeriellen Machtwort“.

Kritische Nachbetrachtung zur Einkommensrunde 2017

Recht kritisch setzten sich die Delegierten mit der Einkommensrunde 2017 auseinander. Der Tarifabschluss habe mit seinen strukturellen Verbesserungen durchaus noch positive Elemente beinhaltet. Die Übertragung des Ergebnisses auf den Beamtenbereich sei hingegen ernüchternd gewesen, weil erneut eine bereits angekündigte zeitliche Verzögerung für das Jahr 2017 realisiert worden sei. Die strukturellen Verbesserungen im Tarifbereich seien hingegen vollständig außer Ansatz geblieben und nicht kompensiert worden. Deshalb müsse man erneut von einem nicht unerheblichen Sonderopfer der Beamten sprechen.

Selbstkritisch merkten einige Delegierte an, dass sich hier vermutlich auch die vergleichsweise geringe Beteiligung an der Demonstration in Düsseldorf ausgewirkt habe. Insoweit müsse den Kolleginnen und Kollegen natürlich klar sein, dass ihre Entscheidung für einen Beteiligungsverzicht ein nicht zu unterschätzendes Signal an die öffentlichen Arbeitgeber gewesen sei. Wenn also keine 10.000 Demonstranten vor dem NRW-Landtag auftauchten, dann vermittele dies die unausgesprochene Botschaft: „Die Frust-, Wut- und Schmerzgrenze ist noch nicht erreicht!“ Und dass ein solches Signal von der Arbeitgeberseite verstanden und genutzt wird, dessen könne man sicher sein.

Zum Abschluss der zweitägigen Sitzung bedankte sich der Vorsitzende bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die sehr intensiv und konstruktiv geführten Diskussionen. Er sah in der engagierten, überaus produktiven Mitarbeit der Delegierten ein positives Zeichen, sich im Ehrenamt weiter den künftigen gewerkschaftlichen Herausforderungen zu stellen und die dringend notwendigen Verbesserungen für die Kolleginnen und Kollegen gemeinsam anzustreben und durchzusetzen.

Friedhelm Sanker