Verwendung von Cookies
Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.
Weitere Informationen zu Cookies erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Drucken

FDP-Vorsitzender Christian Lindner (li.) und Armin Laschet (CDU) präsentieren mit sichtlichem Stolz ihren Koalitionsvertrag für Nordrhein-Westfalen.

CDU und FDP: Es ging schneller als erwartet!

Erst drei Wochen waren verstrichen, als Armin Laschet (CDU) und Christian Lindner (FDP) den vereinbarten Koalitionsvertrag am vergangenen Freitag in die Kameras der Journalisten halten konnten. Sehr schnell einigten sich die Verhandlungsdelegationen in jenen Bereichen, die ihnen den Sieg bei der Landtagswahl beschert hatten.

Bei Bildung, Wirtschaft und vor allem der Inneren Sicherheit ist man offenbar gewillt, in der Vergangenheit Versäumtes auszugleichen. Diese Bereiche werden allerdings viel Geld verschlingen, dies ist den Koalitionspartnern klar. Sie stehen damit vor der Herausforderung, Sicherheit gewährleisten, Bildung verbessern und berufliche Entwicklungschancen für möglichst viele Menschen schaffen zu müssen.

Die schnelle Einigung signalisiert, dass bei den Partnern in der Analyse und den notwendigen politischen Weichenstellungen Übereinstimmung besteht. Die schnelle Einigung weckt allerdings auf Hoffnungen, dass sich in Nordrhein-Westfalen vieles zum Besseren wendet.

Die FDP hat erstmals ihre Mitglieder in einer Online-Abfrage über den Koalitionsvertrag befinden lassen. Eine Zustimmung von mehr 97 Prozent war ein beachtliches Ergebnis. Die CDU ließ die Partei am 24. Juni 2017 im Rahmen eines Parteitags über den Vertrag befinden. Einstimmig billigten die Delegierten das ausgehandelte Vertragswerk.

Verunsicherung der Bürger war wahlentscheidend

Bestimmendes Thema des Wahlkampfes war die Innere Sicherheit. Die Bürgerinnen und Bürger waren von einem diffusen Gefühl schwindender Sicherheit ergriffen. Die Weigerung der amtierenden Landesregierung, diesem Gefühl eine gewisse Berechtigung beizumessen, war Wasser auf die Mühlen der politischen Konkurrenz. Was sollen die Bürger, die sich auf das Gewaltmonopol des Staates verlassen, auch davon halten, wenn Berichte über zunehmende Gewalttaten, steigende Kriminalität und No-Go-Areas von den handelnden Politikern weitgehend ignoriert werden? Sie richten ihre Wahlentscheidung u.a. daran aus! So ist es jetzt auch in NRW geschehen. Armin Laschet (CDU) hatte es gerade noch rechtzeitig mit der Berufung von Wolfgang Bosbach (CDU) geschafft, dieses Politikfeld glaubhaft und überzeugend zu besetzen.

Jetzt steht die neue Koalition in der Pflicht, den markigen Worten Taten folgen zu lassen. Und sie scheint gewillt zu sein, diesen Ansprüchen genügen zu wollen. Bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages betonten die Verhandlungsführer Christian Lindner (FDP) und Armin Laschet (CDU) unisono, beide Partner hätten nicht unerhebliche Kompromisse eingehen müssen. Weil aber die Gespräche vertrauensvoll und freundschaftlich verlaufen seien, habe man sich schnell einigen können. Jetzt müsse der Geist der Verhandlung in reale Politik übertragen werden.

Geeinigt habe man sich auf eine weitgehende Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren am Gymnasium und Studiengebühren für Studenten aus Nicht-EU-Ländern. Zur Verbesserung der Inneren Sicherheit will Schwarz-Gelb mehr Personal einstellen, die Videoüberwachung ausweiten und verdachtsunabhängige Polizeikontrollen ermöglichen. Der Bau von Windrädern wird deutlich eingeschränkt, die Bürokratie für Unternehmen und Handwerk abgebaut. Private Hauskäufer wollen CDU und FDP bei der Grunderwerbsteuer spürbar entlasten.

Gefängnisse, Gerichte und Staatsanwaltschaften erhalten mehr Personal. Damit wird das Ziel verfolgt, Straftäter schneller mit den Folgen ihres Handelns zu konfrontieren. Die Abschiebehaft-Plätze werden ausgebaut. Gleichzeitig werden die Bürgerrechte gestärkt: Jeder soll künftig individuell Verfassungsbeschwerde einlegen können.

Was kommt auf den Strafvollzug zu?

Die künftige Landesregierung beschreibt den Vollzug als staatliche Kernaufgabe, will berufliche Mehrleistungen besser honorieren und die Personallücke durch zusätzliche Stellen schließen. Mit dem Vertragswerk werden etliche BSBD-Forderungen übernommen und hoffentlich auch realisiert. Grundlage des Personalbedarfs sollen folglich Personalberechnungen bzw. -erhebungen sein. Die Laufbahnen des allgemeinen Vollzugsdienstes und des Werkdienstes sollen im Hinblick auf die künftige Personalgewinnung attraktiv ausgestaltet werden.

Das durch Rot-Grün abgeschaffte Vollzugsziel des Schutzes der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten soll wieder Eingang in die Vollzugsgesetze finden und auch der hohe bürokratische Aufwand bei den Dokumentationspflichten soll auf den Prüfstand. Durch steigende Gefangenenzahlen und Baumängel hervorgerufene Engpässe bei den Haftplätzen sollen zeitnah beseitigt werden.

Dem Drogenhandel und -konsum soll durch den Einsatz zusätzlicher Drogenspürhunde entgegengewirkt werden. Zudem streben die Koalitionäre eine Bundesratsinitiative an, um die Bekämpfung von Drogen im Vollzug zu intensivieren.

Religiösem Hass und Radikalisierungstendenzen wollen die Koalitionäre mit Prävention und Bekämpfung politischer und religiös motivierter extremistischer Bestrebungen begegnen. Die Suizidprophylaxe soll nach dem deutlichen Ansteigen der Selbsttötungen im Vollzug nachhaltig verbessert werden.

Besondere Behandlungsschwerpunkte sieht der Koalitionsvertrag für die Sozialtherapie und den Jugendstrafvollzug vor. Ein Pilotprojekt zur Erprobung alternativer Formen ist insoweit vorgesehen.

Im Fokus von Schwarz-Gelb stehen Ausbildung, Qualifizierung und Beschäftigung im Vollzug. Sie werden als unverzichtbare Elemente und Bausteine einer erfolgreichen Wiedereingliederung angesehen. Deshalb wird angestrebt, die Beschäftigungsquote zu erhöhen und die Arbeits- und Ausbildungsplätze dem Bedarf anzupassen.

Als entscheidend für eine gelingende Wiedereingliederung wird ein optimiertes Übergangsmanagement angesehen. In der letzten Phase des Vollzuges soll die Basis für einen bestmöglichen Übergang in ein regelkonformes Leben in Freiheit gelegt werden.

Was haben die Beschäftigten zu erwarten?

Schwarz-Gelb will ein attraktiver Arbeitgeber für einen modernen, flexiblen Öffentlichen Dienst sein. Gute Arbeitsbedingungen und faire Aufstiegschancen sollen dauerhaft geschaffen werden, weil hierin die besten Voraussetzungen zur Gewinnung hochqualifizierter Nachwuchskräfte gesehen wird.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nimmt eine herausragende Stellung ein. Hier will Schwarz-Gelb ein Rückkehrmanagement einführen, das die Kompetenzen von Wiedereinsteigern in besonderer Weise berücksichtigt.

Die künftige Landesregierung hat sich vorgenommen, Leistungsanreize zu verstärken und spezielle Instrumente zur Förderung leistungsstarker Beschäftigter zu entwickeln. Zudem soll das Gesundheitsmanagement gestärkt und zentral bei einem Ressort gebündelt werden.

Einen besonderen Schwerpunkt wollen die Koalitionäre bei der Sicherheit der Landesbediensteten bilden, die Dienstaufgaben wahrnehmen. Hier schwebt ihnen ein ganzheitliches Sicherheitskonzept vor, das die Beschäftigten zuverlässig vor Gewalt schützt.

Beamte und Versorgungsempfänger sollen von der Beseitigung bürokratischer Prozesse bei der Beihilfengewährung profitieren können. Schwarz-Gelb will das Ziel, die Gleichstellung von Mann und Frau auch für berufliche Aufstiegsmöglichkeiten durchzusetzen, nunmehr vollenden. Bislang vorgesehene verfassungswidrige Regelungen sollen jedoch abgeschafft werden.

Bislang ist die Arbeitswirklichkeit in den Behörden des Landes von steigender Mehrarbeit geprägt. Hier strebt Schwarz-Gelb den Verfallsschutz für diese Stunden an. Zudem soll den Beschäftigten einmalig die Möglichkeit eröffnet werden, angefallene Mehrarbeitsstunden freiwillig finanziell abgelten zu lassen. Langfristig sollen dann Lebensarbeitszeitkonten eingeführt werden, um eine kontinuierliche Verfügbarkeit des Personals organisieren zu können.

Wie bewertet der BSBD den Koalitionsvertrag?

Der Landesvorsitzende Peter Brock war durchaus angetan von den politischen Absichten der künftigen Landesregierung. „Mit besonderer Genugtuung erfüllt uns der Umstand, dass zahlreiche Vorstellungen und Forderungen des BSBD in allgemeiner oder konkreter Form aufgegriffen worden sind. Damit eröffnen sich für die Strafvollzugsbediensteten Aussichten auf verbesserte Arbeitsbedingungen ebenso wie die Chancen auf eine aufgaben- und leistungsangemessene Besoldung“, stellte der BSBD-Chef klar. Der durch das Koalitionspapier zum Ausdruck gebrachte politische Wille, muss jetzt in konkretes Handeln transferiert werden, forderte der Gewerkschafter.

Die Aussicht auf ein stimmiges Besoldungsgefüge für den gesamten Bereich des Strafvollzuges erzeuge hohe Erwartungen bei den Betroffenen. Diese Erwartungen dürften allerdings nicht enttäuscht werden. Der Vollzug sei ein wesentlicher Bereich der Inneren Sicherheit, der nur dann reibungslos funktionieren könne, wenn die erwarteten Leistungen angemessen honoriert würden und das erforderliche Personal endlich zur Verfügung gestellt werde, umriss Peter Brock die Position des BSBD.

Friedhelm Sanker


Foto im Beitrag © Frederico Gambarini, picture alliance/dpa