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EuGH-Urteil zur Arbeitszeit: Ein echter Schlag ins Kontor!

Ende letzter Woche hat der EuropĂ€ische Gerichtshof in Luxemburg entschieden, dass zwölf Tage schuften am StĂŒck rechtens ist. Nach dem Urteil des Gerichts (09.11.2017, Az. C 306-16) ist die Auslegung der europĂ€ischen Arbeitszeitrichtlinie in Richtung einer ĂŒberaus arbeitgeberfreundlichen Flexibilisierung der Arbeitszeit zulĂ€ssig. Damit haben die Richter des EuGH den Acht-Stunden-Tag zur Disposition gestellt. Das Gericht hatte ĂŒber den Fall eines portugiesischen Casino-Angestellten zu entscheiden, der jeden siebten Arbeitstag in Folge Überstundengeld von seinem Arbeitgeber erstreiten wollte.

Die europĂ€ische Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003 88/EG) macht den Mitgliedstaaten der EU zwingende Vorgaben bezĂŒglich der Arbeitszeiten von BeschĂ€ftigten. So gibt es Regelungen zur wöchentlichen Höchstarbeitszeit, zu tĂ€glichen Ruhezeiten, zu Ruhepausen und eben auch zu Ruhetagen. In § 5 der Richtlinie ist geregelt, dass jedem Arbeitnehmer pro Siebentageszeitraum eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zusteht.

Man sollte meinen, dass mit dieser Festlegung dem biblischen Grundsatz, dass der Mensch am siebten Tage ruhen solle, Rechnung getragen worden sei. Doch weit gefehlt! Die Richter des EuGH definieren die Regelung „24 Stunden frei im Siebentageszeitraum“ in der Weise, dass die Mindestruhezeit innerhalb des Siebentagezeitraums liegen mĂŒsse. Zu welchem Zeitpunkt die Ruhezeit zu gewĂ€hren sei, regele der Artikel 5 der Arbeitszeitrichtlinie gerade nicht. Die Luxemburger Richter stellten zudem klar, dass die Vorschrift keinen Verweis auf das nationale Recht der Mitgliedsstaaten enthalte und sie deshalb unionseinheitlich auszulegen sei.

Aus dem Wortlaut und dem Zusammenhang des Art.5 der Richtlinie ergebe sich wiederum lediglich, dass innerhalb eines Siebentageszeitraums jedem Arbeitnehmer eine Mindestruhezeit von 24 Stunden zustĂŒnde. Die Vorschrift legt nach Auffassung der Luxemburger Richter aber gerade nicht fest, zu welchem Zeitpunkt die Ruhezeit zu gewĂ€hren sei. Auch das Ziel der Richtlinie, nĂ€mlich Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer wirksam zu schĂŒtzen, stehe dieser Auslegung nach Überzeugung des Gerichts nicht entgegen. Folglich sei der Ruhetag irgendwann innerhalb des Siebentageszeitraums zu gewĂ€hren. Diese Tage könnten sowohl der erste als auch der letzte Tag dieses Zeitraumes sein. Die danach zulĂ€ssige Höchstarbeitsdauer betrĂ€gt somit folglich zwölf Tage am StĂŒck.

Der EuGH hat mit dieser Entscheidung eine Chance vertan

Die Entscheidung der Luxemburger Richter widerspricht zunĂ€chst einmal nicht der geltenden Arbeitszeitrichtlinie. Die Richter haben es jedoch versĂ€umt, die Richtlinie im Sinne der EuropĂ€ischen Grundrechtecharta auszulegen. Artikel 31 Abs. 2 begrĂŒndet immerhin einen Anspruch auf wöchentliche Ruhezeiten. Eine solche Auslegung der Arbeitszeitrichtlinie hĂ€tte dem Ziel, nĂ€mlich die Gesundheit der BeschĂ€ftigten wirksam zu fördern, aus arbeitsmedizinsicher Sicht eher entsprochen als die GewĂ€hrung eines Ruhetages "irgendwann" im Siebentageszeitraum. Eine solche Auslegung wĂ€re auch naheliegend gewesen, da in Deutschland genau wie in vielen anderen EU-Mitgliedstaaten die FĂŒnf-Tage-Woche gilt. Das Gericht hat mit seiner Entscheidung eine große Chance vertan, den Arbeitsschutz der europĂ€ischen Arbeitnehmer nachhaltig zu stĂ€rken.

Die „Wirtschaftsweisen“ und die FDP fordern bereits die weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit

Die Forderungen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik ließen nicht lange auf sich warten. So wird man abwarten mĂŒssen, ob die Entscheidung neue Begehrlichkeiten weckt. Angesichts von Digitalisierung und Globalisierung greift die Twenty-four-seven-MentalitĂ€t immer weiter um sich, wonach Arbeitnehmer möglichst 24 Stunden an 7 Tagen fĂŒr den Arbeitseinsatz abrufbar sein sollen. Der Abschied vom Acht-Stunden-Tag und die Abkehr von der FĂŒnf-Tage-Woche zugunsten flexiblerer Arbeitszeitmodelle wird vehement gefordert. Auf dieser Grundlage wird in den kommenden Jahren sicher ebenso ĂŒber eine flexiblere GewĂ€hrung von Ruhetagen diskutiert werden.

Das FDP-PrĂ€sidiumsmitglied Michael Theurer forderte im Rahmen der laufenden Sondierungen eine Flexibilisierung der Arbeitszeit. Das deutsche Arbeitszeitgesetz sei nicht mehr zeitgemĂ€ĂŸ und mĂŒsse deshalb an die Regelungen der EU-Arbeitszeitrichtlinie angepasst werden. Und auch die „Wirtschaftsweisen“ sprechen sich fĂŒr flexiblere Arbeitszeiten aus. Diese zusĂ€tzliche Freiheit berge enorme Chancen und steigere die WettbewerbsfĂ€higkeit der Unternehmen.

BSBD pocht auf die Schutzfunktion des Arbeitszeitrechts

FĂŒr den BSBD ĂŒberwiegen allerdings die Risiken. In Mönchengladbach stellte BSBD-Chef Peter Brock deshalb klar, dass Arbeitszeitregelungen immer ihre Schutzfunktion fĂŒr Arbeitnehmer betonen mĂŒssen. Eine permanente VerfĂŒgbarkeit missachte Arbeitnehmerrechte in geradezu eklatanter Weise und könne folglich nicht der Stein der Weisen sein. Einer Schichtdauer von weniger als 8 Stunden wird sich der BSBD nach Auskunft seines Vorsitzenden energisch widersetzen.

„Im Strafvollzug leistet die ĂŒberwiegende Zahl der Kolleginnen und Kollegen Schichtdienst, der physisch und psychisch besondere Herausforderungen fĂŒr die Betroffenen bereit hĂ€lt. Permanenter Schichtdienst ist ĂŒber die Jahre und durch den stĂ€ndigen Wechsel der Arbeitszeiten eine enorme gesundheitliche Beanspruchung. Dem Arbeitsschutz ist deshalb besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die Ruhezeiten haben vorrangig der Gesunderhaltung und Regeneration von Arbeitnehmern zu dienen und mĂŒssen deshalb auskömmlich bemessen sein. Eine Flexibilisierung der Arbeitszeit in dem Sinne, dass die Arbeitsleistung vom Dienstherrn faktisch zu jeder Zeit abgerufen werden kann, verbietet sich praktisch von selbst. Weil in der Ruhe letztlich die Kraft liegt, wird der BSBD nachdrĂŒcklich dafĂŒr eintreten, eine Überlastung der Kolleginnen und Kollegen zu verhindern, verdeutlichte Peter Brock die Position seiner Gewerkschaft.

Friedhelm Sanker

Foto: Oliver Boehm/Fotolia.com