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Erbschaftssteuerreform: „Nur nicht einknicken, Herr Schäuble!“

Nachdem das Bundesverfassungsgericht kurz vor Weihnachten 2014 das bis dahin geltende Erbschaftssteuerrecht kassiert hat, steht Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) in der Pflicht, eine Lösung zu entwickeln, die allzu große Unterschiede der Besteuerung bei der Vererbung von Kapital- und Betriebsvermögen beseitigt.

Im Frühjahr hatte der Minister Eckpunkte vorgestellt, die den Vorstellungen des Verfassungsgerichtes weitgehend Rechnung trugen. Zwischenzeitlich ist die Unternehmerlobby aktiv geworden und hat Front gegen die Novellierung des Erbschaftssteuerrechts gemacht. Und wenn mit dem Verlust von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen gedroht wird, dann knickt die Politik eben schnell mal ein.

Die überarbeitete Fassung der Eckpunkte fällt für Unternehmenserben denn auch deutlich günstiger aus. Der zwischenzeitlich entwickelte Gesetzentwurf sieht wieder zahlreiche Privilegien für Unternehmenserben vor. Er weicht damit gravierend von den ursprünglichen Eckpunkten des Finanzministeriums ab. Es hat den Anschein, als sei die Politik wieder einmal dabei, vor der Unternehmerlobby in die Knie zu gehen. Nach den jetzt entwickelten Vorstellungen würden weit über 90 Prozent künftiger Unternehmenserben keine Erbschaftssteuer entrichten müssen. Damit steht der Gesetzentwurf in der konkreten Gefahr, die Vorgaben des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts deutlich zu verfehlen.

Vermögende wollen ihre Privilegien sichern

Von der ursprünglichen Absicht, mehr Gerechtigkeit im Erbschaftssteuerrecht einzuführen und große Erbschaften verstärkt an der Finanzierung unseres Gemeinwesens zu beteiligen, rückt die Politik trotz der eindeutigen verfassungsgerichtlichen Vorgaben mehr und mehr ab. Diese Entwicklung macht einmal mehr deutlich, wie sich Entscheidungsprozesse auch in einem demokratischen System beeinflussen lassen. Vereinfachend kann man durchaus feststellen: Je höher der finanzielle Einsatz desto erfolgversprechender die interessengeleitete Beeinflussung von politischen Entscheidungsprozessen.

Bei der Erbschaftssteuer geht es nicht um Peanuts. Im kommenden Jahrzehnt werden mehrere Billionen Euro von einer auf die nächste Generation übertragen. Und da Geburt kein Verdienst ist, das steuerlich begünstigt werden müsste, ist es an der Zeit, die Reichen im Land angemessen an den Kosten der Gesellschaft zu beteiligen. Gerade die Kapitalbesitzer sind es, die in den letzten Jahrzehnten überproportional profitiert haben. Allein Deutschland hat in den zurückliegenden dreißig Jahren öffentliche Schulden von 2 Billionen Euro angehäuft. In dieser Zeit mussten für diese Kredite rd. 1,8 Billionen Euro, eine unvorstellbar große Summe, an Zinsen aufgebracht werden, die nicht auf den Konten der Arbeiter, sondern auf denen der Vermögenden gelandet sind. Und anstatt Kapitalerträge mindestens genauso hoch zu versteuern wie Arbeitseinkommen, werden die Kapitalerträge noch privilegiert, weil man befürchtet, dass sie sonst in Steueroasen abfließen.

Erbschaftssteuer ist der Prüfstein für die Reformfähigkeit unserer Gesellschaft

Hier, Herr Schäuble, besteht der eigentliche Handlungsbedarf. Unsere Gesellschaft ist chronisch unterfinanziert, so dass wir gezwungen sind, auf Kosten zukünftiger Generationen zu leben. Dieser Zustand muss schleunigst beendet werden. Und er kann beendet werden, wenn die Vermögenden entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zur Entrichtung von Steuern herangezogen werden.

Gerade das Erbschaftssteuerrecht ist ein Prüfstein, ob die schwarz-rote Bundesregierung noch die politische Kraft aufbringt, im Bereich des Steuerrechts gerechte Verhältnisse zu schaffen. Dieser politische Wille ist auch entscheidend für die Zukunft des öffentlichen Dienstes. Gerade erleben wir in den meisten Bundesländern das Phänomen, dass die Kolleginnen und Kollegen trotz sprudelnder Steuereinnahmen immer mehr von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt werden. Wie soll sich dies mittelfristig ändern, wenn der Staat immer noch unterfinanziert ist, und dabei jene Gesellschaftsgruppen begünstigt, die über die großen Vermögen verfügen? Aufgabe des Staates ist es, das Steuerrecht so zu gestalten, dass das erforderliche Geld immer dort zur Verfügung steht, wo es tatsächlich benötigt wird und wirtschaftlichen Nutzen für die Gesellschaft erzielt. Auf den Konten der Reichen wird dieses Ziel deutlich verfehlt.

Wird beim öffentlichen Dienst dauerhaft gespart, ist die Funktionsfähigkeit des Staates gefährdet

Speziell der öffentliche Dienst, der im zurückliegenden Jahrzehnt immer wieder zum Stopfen von Haushaltslöchern herhalten musste, hat mittlerweile seine Konkurrenzfähigkeit im Werben um die besten Nachwuchskräfte eingebüßt. Es ist an der Zeit, gute Arbeit wieder angemessen zu honorieren.

In der Bundesrepublik Deutschland haben sich viele Menschen von der Politik abgewandt, weil sie von den Regierenden nichts Positives für ihr Leben mehr erwarten. Dies ist ein sehr gefährlicher Zustand, weil er an den Grundfesten der Gesellschaft rüttelt. Viele haben den Eindruck, Deutschland werde gegenwärtig als Zahlmeister Europas missbraucht und die eigene Bevölkerung komme dabei zu kurz. Erfasst diese Entwicklung weitere Bereiche der Gesellschaft, dann dürfte auch die stabile Demokratie Deutschland anfällig für extreme politische Einstellungen und Auffassungen werden.

Das Erbschaftssteuerrecht ist der Lackmustest

Das Erbschaftssteuerrecht ist folglich der Lackmustest, ob unser gesellschaftliches System noch zur Schaffung gerechter Verhältnisse willens und in der Lage ist. Deshalb ist es auch so wichtig, dass Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) bei der Überarbeitung des Erbschaftssteuerrechts standhaft bleibt und nicht vor den Unternehmensvertretern in die Knie geht. Muss erst wieder das Bundesverfassungsgericht die Richtung vorgeben, dann ist diese Chance endgültig vertan. Nur jetzt nicht einknicken, Herr Schäuble!

Das Bild im Beitrag stammt von Wolfgang Kumm/dpa